rolex

Rolex

Kurzfilm, Lyrik- Videoclip
Innsbruck, April 2003
Text: aus der Lyrik „rolex“ von Barbara Hundegger

Mini DV, Video8, avi. 4:3, 5 Minuten
freie Arbeit: Konzept, Kamera, Schnitt, Ton, Textgrafik und Montage
Musik: „Terre Thaemlitz“

 

Das Video „rolex“ war  im Rahmen der Buchpräsentation und Lesung von Barbara Hundegger’s „desto leichter die mädchen und alles andre als das“ in der Wagner’schen Buchhandlung in Innsbruck zu sehen.

 

Am Ende ihres Seils

von Petra Nachbaur

„tick“. Socken. Fassaden. Gleise. „aufdirseinoder“. Bei „Literatur und Film“ denkst du an bewegtes Bild gewordene Romane – allein schon, weil Filme sich über eine gewisse Länge hin ziehen, ausdehnen. Und bei „Videoclip“ haben wir mehr oder weniger aufregend inszenierte Visuals zu Popsongs vor Augen. Eine ökonomische Strategie der Musikindustrie. Monika K. Zanolin, Fotografin, hat nun „rolex“, Gedicht, längstes Gedicht aus dem neuen Band von Barbara Hundegger, – verfilmt? Umgesetzt? Transformiert? Dynamisiert? „lyrik-videoclip“ heißt sie das.

Welche Textelemente sind ausgewählt, fragt sich Herausgeberin als erstes angesichts der vereinzelten Sprenkel, Einzelwörter oder zusammengeschweißter Sinneinheiten, die, rot oder türkis unterlegt wie mit Marker, auf der Leinwand auftauchen. Nicht allzu lang tauchen sie jeweils auf, nicht allzu lang ist die Frage der Bedeutung von Bedeutung. Bald fesseln die filmischen Mittel, die mit den semantischen Einheiten aus dem Text (und der Musik von Terre Thaemlitz) ein neues Ganzes bilden.

Zanolin wählt ein Utensil, das visuell wie auch metaphorisch mit Tanz und mit dem Inbegriff des Balanceakts verbunden ist. Aber sie sieht das Seil neu: -hüpfen, -springen ist eine traditionelle Mädchenbewegung, von daher passend zum Buchtitel. Zudem auch (Selbst)Disziplinierungstechnik, Training in Sachen Ausdauer. Etwas zwischen Spiel und Arbeit. Das bei Zanolin versonnene, unsportliche Springen am Seil hat viel von der Regelmäßigkeit, (Un)regelmäßigkeit, die im Gedicht benannt und betrieben (durch ein „oder“ nach dem andern) wird, vom unspektakulären Unterwegs, von der Bewegung, die fast, aber doch nicht „auf der Stelle“ Statt findet, im permanenten Wechsel zwischen Luft und Boden.

Das strukturell geradezu ideale Pendant zum Gedicht, das in sich zyklisch aufgebaut ist und sich Schritt für Schritt, Tick für Tick weiterschreibt, bis die Zeigerin eine ihrer ungezählten Runden beschrieben hat, findet sich im (ungeschauten) konstanten Kreisen des Seils als Voraussetzung für das Ticken von Sprung für Sprung.
Und: im Englischen heißt „to be at the end of one’s rope“: am Ende seiner/ihrer Kräfte, Nerven sein. Also nicht „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“, sondern Frauen, besser: Frausein am Ende des Seils. Und was ist am Ende des Seils? Fragen, die „eine der andern wir uns oder sich“ stellt/stellen. Die Seilsprünge heben die Zeilensprünge auf, und plötzlich passt es, dass bei Anfang und „am Ende ihres Clips“ der Text wie in Prosa da steht und da hüpft, blinkend, und der Bildschirm das Ende der Zeile macht.

Frieda Grafe hat darauf hingewiesen, dass Farbe im Film auch Teil des Kulturspektakels sein kann. „rolex“ geht ausgesprochen sparsam um mit Färbung, und auch das passt zum Text. Denn in Barbara Hundeggers Lyrik gibt es sehr wohl auch die flamboyante Ekstase: „rolex“ aber verdichtet das Ausdauertraining, das (an)dauernde Tauziehen mit sich selbst. Tauziehen zu Land, unter Tag und zu Luft. Das Bild des verlangsamt fliegenden Drachen, der bisweilen eher in Luft zu schwimmen scheint, ist ein zweites wesentliches optisches Element des Clips – und bringt als zweites physikalisches „Element“ jetzt ganz stark die Luft ins Spiel, die davor nur erhopst worden ist, die Luft, in der auch die Flugblätter von jeher ihren Rang einnahmen in Hundeggers Lyrik, „blattweise“ beispielsweise in jenem Gedicht, dem der Buchtitel entnommen ist.
Grafe zitiert in „Filmfarben“ einen Regisseur: „Frauen dagegen“ – das Ausgehen vom Anderen sei für ein Mal unbenommen – „Frauen dagegen sind wie vom Wind zusammengetragen. Sie bestehen aus und reagieren auf winzige Impulse, Modulationen, Farben, Töne.“ „Vom Wind zusammengetragen“ als Gegenteil von „vom Winde verweht“ – nicht „gone with the wind“, sondern „ come with the wind“ ist ein Bild aus Sprache, das wiederum zu Zanolins Text aus Bildern passt, der uns in seltsamer Schwebe zurücklässt und dennoch „von den Socken“ (die an den seilspringenden Füßen plötzlich fehlen) – mit dem Wind, also mit dem Flüchtigen, dem Luftigen, den Flugzetteln, dem Leichten, „mit der Zeit“, die die schwere Investition am Handgelenk nicht hält – „gekommen“.
(pen)
copyright Petra Nachbaur