Niki-Rebecca Papageorgiou, The Great Anteater

Niki

Video-Dokumentation
Niki-Rebecca Papageorgiou 1948-2000, Poetess
Video VHS 4:3, Video8, 18 Min, Athen 1989, Griechisch, Englisch.

1989, Besuch bei der Lyrikerin Niki Rebecca Papageorgiou.

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Bemerkung zum Video
Gedichte
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A Visit to Niki’s House in the area of Gizi, Athens, 6th June 1989

 

Niki-Rebecca Papageorgiou 1948-2000, Poetess
Niki studied at the History-Archaeology department of the University of Athens, graduating in 1970.
Having applied to be appointed as a state school teacher in Secondary Education, she, in the meantime, opened an antique shop in Athens, trading small objects.
Between 1972-1986 she wrote the poems of her first collection “Little Proses”, and, after that time she wrote the poems “The Great Anteater”, both published in 1993 by the reputable publishing house Agra Publications.
In 1980 she was diagnosed with bipolar disorder. She continued living withdrawn in her house until 1991 when she moved to her mother’s, maintaining very few contacts, and, most probably, not writing any longer.
On 1st of May 2000 Niki´s so far third attempt of suicide led to her death.


Dreißig Jahre nach meinem Besuch bei Niki und neunzehn Jahre nach Nikis Tod entschloß ich mich, das Video zu veröffentlichen. 1989 wollte die Familie aus begreiflichen Gründen keine Art von Veröffentlichung des Videos zustimmen. Die heftigen medikamentösen Therapien der damaligen Zeit konnten ihre bipolare Störung nicht verbessern, manche behaupteten, sie hätten sie auch Abseits der Schübe krank gemacht.
Zum Anlass der Neuauflage ihrer Gedichte durch Agra Publications 2017 digitalisierte ich das geschnittene .avi Master-Band und ergänzte es mit einem Text. Die Bildqualität entspricht natürlich heutigen Standarts bei weitem nicht, aber ich finde dieser unscharfe Blick in Nikis Leben passt recht gut dazu.

Als ich 1989 in Athen lebte, traf ich Niki regelmässig mit ihrer Mutter Thémis und ihren Schwestern Nana und Mania in einer Taverne in Nea Smirni. Obwohl ich damals so gut wie gar kein Griechisch sprach, verband mich sowas wie ein metaphysisches Verstehen mit ihr. Ihre psychische Krankheit war noch nicht in dem Stadium, wo zusätzlich tiefe Depression sie verstummen ließ und sie im Dunkel ihrer Wohnung gefangen hielt.
Ich hatte ich mich sehr gefreut, als Niki mir überraschenderweise doch endlich erlaubte, sie mit der Videokamera in ihrer legendären Wohnung zu besuchen.

Mit einem einfachen Halogen-Strahler, einem Stativ und der heute uralten Sony Video8 Kamera – die mir großzügigerweise die Freundin und Studienkollegin der London Filmschool Fiona Cunningham Reid schenkte – tauchte ich in Nikis traumhafte Bunkerwelt-Wohnung, bis zur Decke vollgestopft mit gesammelten Kostbarkeiten, die sie immer wieder im Vorbeigehen liebevoll neu arrangierte – wie die Worte und Wort-Bilder in ihrer Lyrik, so dachte ich mir.

Mein Dreh-Konzept beschränkte sich auf situatives „was sie bereit wäre zu geben“, von sich, von ihrer Kunst zu schreiben, zu denken.

Und sie gab viel, zeigte mir viel. Sie zeigte mir ihre Schätze, sang griechische Lieder, rezitierte ihre Gedichte und spielte am Klavier. Wir tranken Kaffee und lachten, auch über die Schwierigkeit im grellem Licht ad hoc zu performen. Ich danke ihr.

2017 wurden Ihre Gedichte wieder von Agra Publications entdeckt und erneut aufgelegt.

 

Dagmar Gmachl übersetzte freundlicherweise die Gedichte, welche Niki Rebecca Papageorgiou im Video vorlas:

Gedichte in der Reihenfolge von Nikis Lesung

01 und 03

Es gibt dunkle Menschen, die deinen Namen für immer
von deinem Türschild verschwinden lassen können,
sodaß deine Freunde kommen und nicht wissen, wie du zu finden bist.
Es gibt dunkle Menschen, die am Ende nicht nur deinen Namen,
sondern auch dich selbst verschwinden lassen können.
Sie können dich nach Tibet schicken,
dort wo der Mensch seit jeher schon Nomade ist,
oder ins tiefste Afrika,
zu den unbekannten Insekten und fleischfressenden Blumen.
Deshalb sage ich: Komm in mein Haus,
wo schon seit meiner Kindheit endlose Listen falscher Namen
an der Tür stehn
und wo ich so lange im Schatten gelebt habe,
daß mir keine Zauberei mehr etwas anhaben kann.
Lass uns exotische Lampen anzünden,
hinter bunten Glasperlenfäden in ihrem Schein uns verlieren,
auf daß uns niemals jemand finde.
In diesem Licht, in dem nur dir allein
ich jemals meinen Namen nannte.

 

02

Für dich hab‘ ich den Laden,
meine Liebe, aufgemacht,
in diese Gegend, wo du lebst,
die schönste Ware hingebracht:
Die Muskatnüsse singen,
der Pfeffer weint, der Zucker lacht,
Zimt und Nelken bringen
dir ihre Ständchen in der Nacht.
Doch du verschmähst den Zucker,
den Pfeffer lässt du stehn,
kaufst ein in andren Läden,
die Lieder lässt du gehn.
Muskatnüsse, Zimt und Nelken
sind dir ganz einerlei,
verbrauchst sie ohne nachzudenken
für deine Bäckerei.
Und mir hat – bittersüß – ein Pfeil
für immer durch das Herz gestochen.
Kein Zauber, der die Wunde heilt,
der Traum, der ist zerbrochen.

 

04

Ich wohne in deiner Nähe und bin Tänzerin –
ernähre mich von Beeren, um schlank zu bleiben.
Sicher wirst du ihn gesehen haben, meinen Maulbeerbaum,
der so hoch ist
und auf den ich nachts klettre, um die Sterne zu betrachten.
Denn ich nähre eine kindliche Leidenschaft für die Sternenkunde;
Ich weiß so viel darüber, dass es den Astronomen die Sprache verschlägt,
wenn sie mich über Lichtjahre sprechen hören, …
nach der Vorstellung, sobald die Lichter ausgehn im Theater.
Die Sterne jedoch, die vom Himmel verschwunden sind,
die hab‘ ich gesammelt, in einem Zauberkästchen,
das ich den Astronomen vorenthalte,
das ich für dich bewahre,
weil du Tänzerin bist, wie ich.
Du wirst in mein Haus kommen und wir werden Beeren essen,
und zarte Hände werden für immer sich im Tüll verweben.
Du wirst kommen, um mir deinen dunklen Tanz zu tanzen,
und die Sterne im offenen Kästchen werden für dich leben.

05

Und ich dachte, wir könnten uns im Sturm verlieren,
ich träumte von Flüssen und Wäldern … mit dir.
Aber du hast ja noch nicht einmal reden gelernt.
Du weißt nicht, was „niemals für immer“ heißt,
und sicher hat es nicht sein sollen,
dass du von mir das lernst;
Irgendwo, irgendwann, wird es irgendjemand anderen geben.
Eines Tages wirst du mich suchen und nicht finden –
ich werde in einen tiefen artesischen Brunnen gefallen sein,
in den ich natürlich auch ohne dich gefallen wäre,
aber du wirst – und weißt es –
der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Ein zarter, klarer, blauer Tropfen
von jenem sanften Regen, der niemals fallen wollte,
und den zu spüren, und sei es nur für einen Augenblick,
ich so sehr hoffte ..
Wo ich doch weiß von all dem unendlichen Regen,
der für immer im Himmel zurückgehalten wird.
Du wirst natürlich sagen, dass ich dich erpresse,
doch – keine Angst! – ich kehre in mich selbst zurück.
Du kannst mich dann betrachten wie ein Stück Natur
und weiter sorglos umgehen wie all die andern.
Denn, was Freunde betrifft, mein Lieber, kann ein Lied ich dir
Die reinsten Engel waren sie alle!

 


Stavros Petsopoulos, Publisher of Niki’s books, Agra Publications.

01.12.2017, 15:54

Dear Monika Zanolin,

We want to thank you for your wonderful (and almost dramatically unbearable in some parts) film-portrait of Niki in her house with all of her belongings. Nana informed me about all the hard work you did the last days, in order to prepare it on time for the homage to Niki.

During the last years, a new generation of young poets have passionately discovered her poems and this led to the organization of this evening at a wonderful bookshop below the Acropolis called “Little Tree”.

There were talks by Nana, by Niki’s friend Peggy Stergiou, by her translator in French who flew to Athens from Paris just for the occasion, and by me, as her publisher. Then, five poets talked about Niki and did wonderful readings, each one using a very personal approach to the poems.

We left your film for the end of the evening. We had not announced it until that moment. It was a great gift for everyone in the audience – a very touching and emotionally disturbing gift, but a gift nonetheless. Thank you, on behalf of all of us who took part in the event, for this.

Please inform us if you intend to organize other screenings of the film. Many people were asking if it will be made available online. From our part, we keep it strictly in our files, until we receive your instructions. If we organize another event for Niki in Thessaloniki, we will then ask you for a new permission for the screening.

Thank you once again for this. We are grateful to you.

With best wishes,

Stavros Petsopoulos